Zähne und Gebiss


Abbildung 1: Gebiss eines Kaninchens

Das erwachsene Kaninchen hat insgesamt 28 Zähne. Der Oberkiefer des Kaninchens weist pro Quadrant zwei Schneidezähne (Incisivi), keine Eckzähne (Canini), drei Vormahlzähne (Prämolaren) und drei Mahlzähne (Molaren) auf (Crossley et al. 1995). Hinter den beiden großen Schneidezähnen im Oberkiefer sind noch zwei weitere kleine stiftförmige Zähne vorhanden, so dass hier zwei Paar Zähne hintereinander liegen (Romer et al. 1983). Im Unterkiefer hingegen finden sich nur zwei Prämolare.

Abbildung 2: Stiftzähne. Die Vorderzähne eines Kaninchnes im Oberkiefer. Deutlich zu sehen die stiftfömrmigen Zähne hinter den Schneidezähnen.

Die Schneidezähne sind durch das Diastema, eine Zahnlücke, von den Prämolaren getrennt. In Ruhestellung liegen die unteren Schneidezähne zwischen den ersten Oberkieferschneidezähnen und den Stiftzähnen (Glöckner 2002).

Die unteren Backenzähne sind etwas zur Mittellinie versetzt, wodurch sich die Kauflächen des Ober- und Unterkiefers nicht komplett decken (Hörnicke 1978). Die Zähne im Oberkiefer sind leicht nach außen geneigt, die des Unterkiefers nach innen (Glöckner 2002).

Das Milchgebiss des Kaninchens, über welches es im Alter von 3 – 5 Wochen verfügt, hat 16 Zähne. Die großen Schneidezähne werden im Gegensatz zu den kleinen Schneidezähnen des Oberkiefers nicht gewechselt.

Die Zähne der Kaninchen bezeichnet man auch als wurzellose Zähne. Das heißt die Zähne besitzen keine von Zement überzogene Zahnwurzel. Sie wachsen ein Kaninchenleben lang. Im Unterkiefer etwa 1,1 – 1,8 mm in der Woche, im Oberkiefer 1,3 – 1,7 mm pro Woche (Wolf und Kamphues 1999).

Abbildung 3: Zahnwurzeln. Die Wurzeln der Zähne des Kaninchens sind hinten offen und mit einer blutgefäßreichen Pulpa versehen. Dadurch wachsen die Zähne nach.

Umgeben sind die Zähne von einem unpigmentiertem Zahnschmelz, welcher das weichere Zahnbein umschließt. Der Zahnschmelz ist die härteste Substanz im Körper. Auf der äußeren Seite ist der Zahnschmelz dicker als auf der inneren. Dadurch nutzt sich die innere Schicht schneller ab und es entsteht eine scharfe Schneidekante.

Der Kiefer und Kaumuskulatur


Das Kiefergelenk des Kaninchens ist ein Schlittengelenk (Schall 1990). Durch eine längsgerichtete Furche wird ein schlittenartiges Vor- und Zurückbewegen des Kiefers ermöglicht (Eisenmeyer und Zetner 1982).

Der kräftigste Kaumuskel ist bei adulten Tieren Musculus temporalis. Bei Säuglingen sind besonders die Mundbodenmuskeln und die maulöffnenden Muskeln stark ausgeprägt. Dies gilt insbesondere für den Musculus digastricus, unterstützt vom Musculus geniohyoideus, das Mylohyoid und die Genioglossusmuskulatur. Mit der 3. – 4. Lebenswoche beginnt sich besonders die maulschließende Muskulatur zu entwickeln, während sich das Wachstum der maulöffnenden Muskulatur verlangsamt. Musculus masseter und Musculus pterygoideus entwickeln sich sehr schnell, langsamer aber gleichmäßig entwickelt sich die Temporalismuskulatur. Zwischen der vierten und zwanzigsten Lebenswoche verfünffacht sich die Masse der Kaumuskulatur. Bei erwachsenen Kaninchen ist der Musculus temporalis der kräftigste Kaumuskel, der Musculus masseter ermöglicht mahlende Seitwärtsbewegungen (Glöckner 2002).

Nahrungsaufnahme


Die Aufnahme von Nahrung erfolgt durch Abbeißen der einzelnen Bissen, welche mit einer eher schneidenden Bewegung durch das aneinander vorbei gleiten der Incisivi abgeteilt werden. Mit Hilfe der Zunge wird die Nahrung so gedreht und verschoben, dass sie zwischen die Backenzähne gelangt und durch seitwärts erfolgende Mahlbewegungen zerkleinert wird. Mit jedem neu aufgenommenen Bissen wird die Nahrung weiter nach hinten geschoben, bis der Nahrungsbrei auf den Zungengrund gelangt und abgeschluckt wird (Hörnicke 1978).

Gekaut wird nur einseitig, wobei nach 800 bis 1000 Kaubewegungen ein Seitenwechsel erfolgt (Morimoto et al., 1985). Pro Sekunde erfolgen 3,5 bis 5 Kaubewegungen (Schley 1985).

Nach Hörnicke (1978) wird meistens für mehrere Tage auf der einen Seite gekaut, erst dann wird die Seite gewechselt.

Abnutzung der Zähne


Die Abnutzung der Zähne erfolgt vornehmlich durch das Aufeinanderreiben der Zähne (Wolf & Kamphues 1996). Zusätzlich entwickeln verschiedene in den Pflanzen enthaltene Stoffe (z.B. Silikate, Staubpartikel) beim Kauvorgang einen zusätzlichen Schmirgeleffekt (Fritz 2007).

Je intensiver ein Kaninchen ein Futtermittel kaut, desto mehr nutzen sich die Zähne ab. Die Schneidezähne werden zudem durch gegeneinanderreiben der Zähne vom Kaninchen geschliffen.

Eine besonders effektive Abnutzung erfolgt durch Futtermittel, die in größerer Menge aufgenommen, viel gekaut werden und von ihrer Struktur und Zusammensetzung den Bedürfnissen des Kaninchens entsprechen. Konzentratfutter (Pelletfutter, Fertigfutter) ist am wenigsten effektiv, es wird wenig gekaut und geringere Mengen aufgenommen. Die größte Effektivität lassen sich mit frischen, langfasrigen Futtermitteln wie Gräsern und Kräutern erzielen.

Benötigte Zeit zur Aufnahme von einem Gramm Trockensubstanz nach Schlolaut (2003):

  • Heu (später Schnitt): 12,2 min
  • Heu (früher Schnitt): 4,72 min
  • Heubriketts: 2,30 min
  • Gras: 6,84 min
  • Mischfutter, pelletiert: 1,40 min

Frisches Grün ist effektiver als Heu, da durch en höheren Wassergehalt wird mehr frisches Grün aufgenommen und daher auch mehr gekaut wird. Zudem ist der Gehalt an Kieselsäure, der dem Zahnabrieb dienen kann, ist in frischem Grün höher als in der getrockneten Variante. Denn Kieselsäure sitzt zwischen langen Cellulosemolekülen. Fehlt das Wasser, werden diese brüchig und ein Teil der Kieselsäure geht verloren. Nach Roth (2007) beträgt der Gehalt im Heu 640 mg/kg, im Weidepflanzen-Schnitt hingegen 1820 mg/kg.

Futteraufnahme pro Tag bei freier Aufnahme eines Futtermittels (Häsin 4 kg) nach Lackenbauer:

  • junges Gras: 852 g
  • Rotklee, jung: 2120 g
  • Luzerneheu: 228 g
  • Wiesenheu: 232 g

Neben der aufgenommenen Menge spielt auch die Anzahl der Kaubewegungen pro Minute eine entscheidende Rolle.

Kaufrequenzen nach Hörnicke (1978):

  • Gras: 5,00 – 6,30 Hz
  • Heu 4,63 Hz
  • Löwenzahn 4,62 Hz
  • Mais 4,12 Hz
  • Pellets 3,96 Hz
  • Karotten 3,50 – 4,00 Hz

Neben einem effektiveren Abrieb beugt eine Ernährung mit ausreichend frischem Grünfutter auch Mangelerscheinungen vor, welche Ursachen für entstehende Zahnspitzen sein können. Insbesondere Unterversorgung mit Mineralien oder nötigen Stoffen für den Mineralienstoffwechsel führen zu einer mangelhaften Verankerung der Zähne im Kiefer, wodurch diese sich drehen können, nicht mehr aufeinander passen und es so zu einer ungleichmäßigen Abnutzung kommen kann.

Quellen


Baker, G., Easly, J.: Zahnheilkunde in der Pferdepraxis, ISBN 3-87706-592-9

Bresinsky, A., Körner, C., Kadereit, J., Neuhaus, G., Sonnewald, U.: Strasburger – Lehrbuch der Botanik, Spektrum Akademischer Verlag, 2008, ISBN 3827414555, 9783827414557

Crossley, A.: Clinical aspects of lagomorph dental anatomy: the rabbit (oryctolagus cuniculus). J Vet Dent 1995;12(4):137-40.

Eisenmeyer, E., Zetner, K.(1982): Tierärztliche Zahnheilkunde Verlag Paul Parey, Berlin

Fritz, J. (2007): Allometrie der Kotpartikelgröße von pflanzenfressenden Säugern, Reptilien und Vögeln. Dissertation, LMU München, S.66-103

Gesellschaft für Pferdemedizin (Stand 18.02.2010)

Glöckner B. (2002): Untersuchungen zur Ätiologie und Behandlung von Zahn- und Kiefererkrankungen beim Heimtierkaninchen, Dissertation

Hörnicke, H. (1978): Futteraufnahme beim Kaninchen – Ablauf und Regulation, Übers. Tierernährung 6, 91-148

Kamphues, J., Wolf, P., Fehr, M. (Hrsg.): Praxisrelevante Fragen zur Ernährung kleiner Heimtiere (kleine Nager, Frettchen, Reptilien), Beiträge einer Fortbildungsveranstaltung des Instituts für Tierernährung und der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover, 02.10.1999, 7-13

Lackenbauer, W.; Kaninchenfütterung: tiergerecht – naturnah – wirtschaftlich; 3., überarb. Aufl. Reutlingen; Verl.-Haus Reutlingen Oertl und Spörer; 2001; ISBN 3-88627-704-6

Morimoto, T., Inoue, T., Nakamura, T., Kawamura, T. (1985): Characteristics of rhythmic jaw movements of the rabbit Arch. Oral Biol. 30, 673-677

Romer, A., Parson, T.: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Hamburg und Berlin: Verlag Paul Parey; 1983: 107

Roth, C./Ganter, M.: Urolithiasis bei einem Lamawallach – Ein Fallbericht. Tierärztliche Hochschule Hannover, 2007

Schall, H. (1990): Narkose und Zahnprobleme bei Heimnagetieren Prakt. Tierarzt 71 (10), 15-16

Schley, P. (1985): Tierzuchtbücherei: Kaninchen, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart

Wolf, P., und J.Kamphues (1996): Untersuchung zu Fütterungseinflüssen auf die Entwicklung der Incisivi bei Kaninchen, Chinchilla und Ratte. Kleintierpraxis 41, 723-732