Die Verdauung des Kaninchens


Der Verdauungstrakt im Überblick


Kaninchen zählen zu den Pflanzenfressern. Das Kaninchen hat einen relativ großen Magen und einen geräumigen Blinddarm, wodurch es über 2 große Speichersysteme verfügt. Beide zusammen machen mit 80 % das Hauptvolumen des Verdauungstraktes aus. Beim Schwein hingegen sind es nur 35 % (Wiesemüller 1993).

Der Verdauungstrakt des Kaninchens besteht aus:

  • Maul: Hier beginnt der Verdauungsprozess. Durch den Kauvorgang wird wird die Nahrung eingespeichelt, zerkleinert und durchmischt
  • Speiseröhre: Durch die Speiseröhre gelangt die Nahrung in den Magen
  • Magen: die Nahrung wird gesammelt und weiter verdaut
  • Dünndarm: Unterteilt in Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum) und Krumm- bzw. Hüftdarm (Ileum). An den
  • Zwölffingerdarm sind Leber und Bauchspeicheldrüse angeschlossen
  • Dickdarm: Dieser beginnt an der Ileozäkalklappe und besteht aus dem Blinddarm (Caecum) mit Wurmfortsatz (Appendix vermiformis), sowie dem Enddarm mit Grimmdarm (Colon) (+Fusus coli) und Mastdarm (Rectum)

Abbildung 1: Verdauungssystem des Kaninchens in der Übersicht. 1 = Maul; 2 = Speiseröhre; 3 = Leber; 4 = Magen (pH = 1,5 – 2,0); 5 = Dünndarm (pH = 7,2); 6 = Blinddarm (pH = 6,0), 7 = Kolon und Mastdarm (pH = 6,0); 8 = After

Der Weg der Nahrung


Futter wird vom Tier aufgenommen, um den Körper mit notwendigen Nährstoffen zu versorgen. Das Futter wird so verarbeitet, dass geeignete Stoffe durch die Darmwand ins Blut und von dort zu den verschiedenen Organen transportiert werden. Dieser Vorgang wird als Verdauung bezeichnet. Unterschieden wird dabei die mechanische und die chemische Verdauung. Die mechanische Verdauung dient dabei zum Großteil der Vorbereitung und Unterstützung, während die chemische Verdauung den wichtigeren Teil der Spaltung in transportable und verwertbare Einheiten übernimmt.

Kaninchen sind Pflanzenfresser. Der Verdauungstrakt ist dabei nicht primär dafür ausgelegt, Cellulose mit höchster Effizienz zu verdauen, sondern aus einer großen Menge faserreicher Nahrung die leichter verdaulichen Stoffe zu extrahieren (Hörnicke 1984).

Der Prozess beginnt im Maul mit der Zerkleinerung der Nahrung. Bedingt durch die Pflanzennahrung haben Kaninchen nachwachsende Zähne. Mahlbewegungen und in der Nahrung (Gras, Kräuter) enthaltene Substanzen wie Lignin und Silikate schleifen Zähne ab. Kaninchen kauen sehr gründlich mit 120 Kaubewegungen pro Minute (Wiesemüller 1993).

Die Verdauung beginnt bereits im Maul. Amylase, ein Enzym, das im Speichel enthalten ist, spaltet einen Teil der verdauliche Stärke in kurzkettige Zucker. Nun gelangt das Futter in den Magen. Dort wird es zwischengespeichert und mit Salzsäure versetzt. Dadurch werden Mikroorganismen abgetötet und Eiweiße inaktiviert.

Der Magen des Kaninchens ist gekennzeichnet durch eine dünne Wand mit schwach ausgeprägter Muskulatur, die nur am Pylorus stärker ausgebildet ist (Wolff und Klomburg 1979). Futter wird daher mit durch nachfolgende Nahrung weiterbewegt. Ein Erbrechen ist dem Kaninchen dadurch nicht möglich. Die Entleerung des Magens funktioniert nur in darmgerichteter Bewegung. Der Magen eines Kaninchens hat ein Fassungsvermögen 100 – 125 ml mit 70 – 120 g Mageninhalt (Lang 2009).In gut gefülltem Zustand erreicht die große Cuvatur (Cuvatura major) die ventrale Bauchwand. Die Magenwand besteht aus einer äußeren bindegewebsartiger Umhüllung, einer muskulösen Hauptschicht in der Mitte und einer inneren Schleimhaut. Durch schlauchförmige Drüsen wird Magensaft abgesondert. Der Nahrungsbrei verbleibt eine Weile im Magen. Durch die Wirkung der Enzyme des mit abgeschluckten Speichels wird das Eiweiß verdaut. Durch den kontinuierlichen Druck von oben und durch langsame, peristaltische Wellen der Magenmuskulatur gelangt das Futter zum Magenpförtner (Pylorus) und in den ersten Abschnitt des Dünndarms.

Der Darm des Kaninchens hat eine Gesamtlänge von ca. 3,5 m. Der Dünndarm macht 2/3 davon aus, der Dickdarm 1/3 (Harkness 1987).

Der Dünndarm wird in drei Bereiche unterteilt, welche histologisch unterschieden werden können. Das Duodenum, auch Zwölffingerdarm genannt, ist reich an Zotten und Drüsen. Es folgt das Jejunum oder auch Leerdarm. Der letzte Abschnitt ist das Ileum, auch Hüft- oder Krummdarm genannt. Hier finden sich viele Anteile des Immunsystems um zu verhindern, dass Anteile der Bakteriengesellschaft aus dem Dickdarm in den Dünndarm gelangen. Die Höhe und Anzahl der Zotten nimmt vom Duodeum zum Ileum ab, während die Anzahl schleimproduzierender Becherzellen im Verlauf zunimmt.

Der Dünndarm ist mit der Bauchspeicheldrüse (Pancreas) verbunden. Im Dünndarm werden die Nährstoffe mithilfe von Enzymen, welche mitunter die Bauchspeicheldrüse absondert, wie das Trypsin, Diastase und Lipasen in ihre Bausteine (z.B. Aminosäuren) zerlegt. Gleichzeitig gibt die Bauchspeicheldrüse Insulin, ein Hormon zur Zuckerregulation, direkt ins Blut ab. Aus Drüsen in der Dünndarmschleimhaut werden zusätzlich Enzyme wie Maltase, Saccharase und Peptidasen zur Verdauung von Kohlenhydraten und Eiweißen abgesondert.

Die Darmzotten, winzige finger- und zitzenförmige Fortsätze der Schleimhaut, überzogen mit Epithelzellen und feinsten Blutkapillaren dienen der Oberflächenvergrößerung und ermöglichen somit eine vermehrte Resorption der Nährstoffe ins Blut.

Nach der Verdauung durch die verschiedenen Enzyme und Resorption von möglichst vielen Nährstoffen gelangt der Nahrungsbrei je nach Beschaffenheit in den Blinddarm oder wird weiter Richtung Darmausgang transportiert. Im ersten Abschnitt des Kolons (Colon ascendens) befindet sich der sogenannte Fusus coli, der durch Muskelkontraktionen die Nahrungsbestandteile trennt. Größere Moleküle (> 0,1 mm) werden am Blinddarm vorbei geschleust, kleinere Moleküle wie unverdauliche Stärke, Pektine und Fettsäuren gelangen in den Blinddarm. Dort werden diese Stoffe von Bakterien verwerten. Anschließend werden diese mit dem Weichkot (Blinddarmkot) ausgeschieden, vom Kaninchen wieder aufgenommen und können so genutzt werden.

Die Aufnahme des Blinddarmkots wird durch folgende Faktoren reguliert (Fekete 1991):

  • Reizung der Mechanorezeptoren im Rektum
  • spezifische Geruch des Blinddarmkots
  • Sättigungsgrad (vom Spiegel diverser Metaboliten im Blut beeinflusst)

Bei Energiemangel wird die Gesamtmenge des ausgeschiedenen Blinddarmkots vom Kaninchen aufgenommen (Kalugin 1980). Auch nehmen Kaninchen, welche mit proteinarmen, aber ballaststoffreichen Futter ernährt werden mehr Weichkot auf als Kaninchen, welche mit einer ballaststoffarmen Nahrung gefüttert werden (De Blas et al. 1986). Gewisse Unausgewogenheiten in der Nahrung können durch den Blinddarmkot so zeitweise ausgeglichen werden. Je nach Rasse produziert und verzehrt ein Kaninchen 20 bis 50 g Blinddarmkot (Glöckner 2002). Der Blindarm kann je nach Füllungszustand bis zu 1/3 des Bauchraumes ausfüllen und hat das 8- bis 12fache des Fassungsvermögen des Magens. An seinem Ende findet sich der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis), welcher zahlreiche Lymphfollikel enthält, also einen Teil der Immunabwehr stellt.

Grobes Futter umgeht den Blinddarm und gelangt durch den Dünndarm direkt in das Kolon. Große, faserreiche Nahrung ist daher schwerer verdaulich für Kaninchen. Dadurch fördert es die Entfernung von Haarballen aus dem Magen, vermindert aber in zu großen Mengen auch die Aufnahme von wichtigen Nährstoffen. Die Wände des Kolons sind mit sogenannten Tänien ausgestattet, welche Poschen und Haustren im Inneren bilden. Hierbei handelt es sich um Muskelraffungen, welche die Oberfläche vergrößeren und den Transport verlangsamen um eine effektivere Resorption zu gewährleistem.

Im Kolon wird hauptsächlich Wasser resorbiert und dadurch die Kotmassen eingedickt. Zwar findet sich im Blinddarm eine reichhaltige Bakteriengesellschaft, welche unter anderem auch Cellulose aufschließen kann, allerdings können die Produkte nicht vom Kaninchen aufgenommen werden, da sie mit dem Hartkot abgehen.

Verdauungsfermente


Am Verdauungsprozess sind verschiedene organische Katalysatoren, auch als Enzyme bezeichnet, beteiligt. Neben Amylase, welche bereits im Maul wirkt, sind zahlreiche andere Enzyme für bestimmte Nährstoffe zuständig. Pepsin findet sich im Magensaft und spaltet Proteine. Lipasen zerlegen Fette in Glyzerine und Fettsäuren.

Prozess Enzym Herkunft Substrat Produkt
Kohlenhydratstoffwechsel Amylase Futter, Speichel, Bakterien des Weichkots Stärke Glucose
Maltase Dünndarmschleimhaut Maltose Glucose
Saccharase Dünndarmschleimhaut Saccharose Glucose und Fructose
Fettverdauung Pankreaslipase Pankreas Fett Fettsäuren, Glyzerin und Monoglyzeride
Phospholipase A Pankreas Fett Fettsäuren, Glyzerin und Monoglyzeride
Gallensäure und ihre Salze Pankreas Fett emulgierte Fette
Proteinverdauung Pepsin Magensaft Eiweiß Polypeptide
Trypsin Pankreas Eiweiß Aminosäuren
Chymotrypsin Pankreas Eiweiß Aminosäuren
Carboxypeptidase A Pankreas Eiweiß Aminosäuren
Carboxypeptidase B Darmsaft Eiweiß Aminosäuren
Aminopepidase Dünndarmschleimhaut Eiweiß Aminosäuren

Darmflora


Bis zum 15. Lebenstag weisen 75 % der jungen Kaninchen keine Keimflora im Magen auf und haben einen pH-Wert bei einem Magen pH-Wert von 4,5 – 5,0 (Gouet und Fonty 1979). Ab dem 17. Lebenstag beginnen die Jungkaninchen Blinddarmkot und mit diesem die Caecumbakterien aufzunehmen (Smith 1965).

Die Darmflora adulter, gesunder Kaninchen setzt sich hauptsächlich aus grampositiven Bakterien, anaeroben Lactobakterien und zum geringen Teil aus anaeroben Bacteroides-Arten zusammen (Löliger 1986). Coliforme Bakterien oder andere Enterobacteriacaea wie auch Clostridien sind nur in geringer Zahl und meist auch nur vorübergehend vorhanden.

Laktobazillen und Clostridien treten erst bei Aufnahme von Grünfutter auf (Fekete 1991).

Verteilung der Darmflora nach Fekete (1991):

  • Jejunum (Dünndarmabschnitt): 104-5 KbE/g Chymus
  • Blinddarm: 109 KbE/g Chymus
  • Kolon/Enddarm:108 KbE/g Chymus

Der zeitliche Verlauf


Die Dauer der Verdauung ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Unverträgliche Nahrung kann mittels Durchfall schnell aus dem Körper befördert werden, dabei gehen allerdings auch wichtige Nährstoffe verloren. Viele unverdauliche, strukturierte Bestandteile führen zu einer schnelleren Verdauung, ist die Nahrung größtenteils verdaulich und unstrukturiert, wird die Verdauung verlangsamt.

Die Nahrung passiert den Verdauungstrakt innerhalb von 8 – 30 Stunden, wobei der Durchschnitt bei 19 Stunden liegt (De Blas 1986). Weitere Ausscheidungen sind bis zum 5 Tag möglich, geringe Reste sogar bis zum 10 Tag.

Quellen


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De Blas, J.C., Santoma, G. , Carabano, R. and Fraga, J. (1986): Fiber and starch levels in fattening rabbit diet J. Anim. Sci. 63, 1897 – 1904

Fekete, S. (1991): Neuere Erkenntnisse über die Verdauungsphysiologie des Kaninchens, Übers. Tierern. 19, 1 – 22

Glöckner B. (2002): Untersuchungen zur Ätiologie und Behandlung von Zahn- und Kiefererkrankungen beim Heimtierkaninchen, Dissertation

Gouet, Ph.; Fonty, G. (1979): Changes in the digestive microflora of holoxenic rabbits from birth until adulthood, Ann. Biol. Anim. Biochem.

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Harkness, J.E. (1987): Rabbit husbandry and Medicine, In: HARKNESS, J.E. (ed.): The Veterinary Clinics of North America Small Animal

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Kalugin, Y.A. (1980): Digestive physiology of rabbit (russ), Kolos, Moscow, pp. 25 – 27

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Löliger, C. (1986): Kaninchenkrankheiten, Leitfaden für Tierärzte und Studierende der Veterinärmedizin, Enke-Verlag Stuttgart

Salomon, Geyer, Gille, Anatomie für die Tiermedizin, Enke-Tiermedizin im MVS, 2008, Buch, 978-3-8304-1075-1

Schlolaut, W. (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Lange, K.; Das große Buch vom Kaninchen; 3., erw. Aufl.; Frankfurt am Main; DLG-Verl., 2003; 488 S.; ISBN 3-7690-0592-9

Smith, H.W. (1965): The development of the flora of the alimentary tract in young animals. J. Path. Bact., 90; 495 – 513

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