Die Ernährung des Hauskaninchens


Allgemeines


Domestizierte Hauskaninchen zählen zur Art des europäischen Wildkaninchens, dessen Ernährung auf dieser Seite (Ernährung der Wildkaninchen) beschrieben wird. Die Verdauung des Hauskaninchens wird hier (Anatomie – Die Verdauung des Kaninchens) erläutert.

Das Futter sollte an die Bedürfnisse des Kaninchens angepasst sein. Sowohl der Bedarf an Nährstoffen als auch die Beschaffenheit des Futters und ihre Auswirkungen auf die Verdauung müssen berücksichtigt werden. Zusätzlich sollten nicht nur die lebenswichtigen Nährstoffe, sondern auch andere in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffe beachtet werden.

Die Ernährung von wilden Kaninchen, sowohl Wildkaninchen als auch Hauskaninchen unter semi-natürlichen Bedingungen dient als Orientierung. Zuchtbedingt, aber auch bedingt durch andere Faktoren kann es Notwendigkeit zur Abweichung geben. Die Ernährung sollte sich an jener der wilden Verwandten orientieren, diese zu kopieren ist in der Regel nicht sinnvoll. Jedes Kaninchen hat seinen individuellen Nährstoffbedarf und individuelle Verträglichkeiten, worauf eingegangen werden muss.

Auswahl der Futtermittel/Fütterungmenge


Futtermengen


Die Menge an aufgenommenem Futter variiert in Abhängigkeit von Futtermittel und den individuellen Ansprüchen sowie der Leistung von Kaninchen. In der Literatur finden sich Hinweise bezüglich der aufgenommenen Futtermengen, die dem Halter als Orientierung dienen können.

Lindemann (1960) gibt für den täglichen Nahrungsbedarf eines Wildkaninchens durchschnittlich 200 g an, was bei einem Körpergewicht von ca.  1 – 2 kg einem Bedarf von 100 – 200 g pro kg Körpergewicht entspricht. Laut Widmer-Andermatt (1976) nimmt ein Wildkaninchen während des Tages etwa 6,4 – 8 % seines Körpergewichtes an Futter auf, was ebenfalls einer Menge von ca. 150 – 200 g entspricht. Zu bedenken gilt hier, dass diese Kaninchen bereits selbst entsprechend ihres Bedarfes selektieren können, was einem Hauskaninchen welches mit 100 g vom Halter ausgewählten Frischfutter pro kg Körpergewicht gefüttert würde nicht möglich wäre.

Futteraufnahme pro Tag bei freier Aufnahme eines Futtermittels (Häsin 4 kg) nach Lackenbauer (2001):

  • junges Gras: 852 g
  • Rotklee, jung: 2120 g
  • Luzerneheu: 228 g
  • Wiesenheu: 232 g

Das entspricht:

  • Futtermittel
  • junges Gras
  • Rotklee
  • Luzerneheu
  • Wiesenheu
  • Aufgenommene Menge in [g]
  • 852
  • 2120
  • 228
  • 232
  • Wassergehalt in [%]
  • 82
  • 84
  • 14
  • 14
  • Trockensubstanz in [g]
  • 162
  • 339
  • 196
  • 200
  • TS pro kg Kaninchen in [g]
  • 41
  • 85
  • 49
  • 50

Das entspricht einer Trockensubstanzaufnahme je nach Futtermittel von 4,1 – 8,5 % der Körpermasse.

Durchschnittliche Saftfutterfutteraufnahme (bei freiem Angebot) nach Mangold (1950):

  • bei kleineren Rassen: 300 g
  • bei mittleren Rassen: 600 g
  • bei großen Rassen: 900 g

Allerdings wird darauf hingewiesen, dass der Verzehr erheblichen Schwankungen unterliegen kann. So werden von Angorakaninchen (Gewicht durchschnittlich 3,5 kg; Mittelrasse) 400 – 500 g Steck- und Runkelrüben, 300 – 400 g Möhren oder 350 g Silage gefressen. Kohl, Erbsen, Luzerne oder Klee werden 500 – 700 g gefressen, bei reinem Gras bis zu 1000 g.

Das entspricht im Durchschnitt:

Futtermittel
Aufgenommene Menge in [g]
Wassergehalt in [%]
Aufgenommene Trockensubstanz in [g]
Aufnahme TS pro kg Kaninchen in [g]
Steckrüben
450
90
45
13
Möhren
350
89
39
11
Silage
350
65
123
35
Kohl
600
87
78
22
Gras
1000
82
180
51
Erbsen
600
85
90
26
Luzerne
600
80
120
34
Klee
600
84
96
27
Runkelrüben
450
90
45
13

Das entspricht einer Trockensubstanzaufnahme je nach Futtermittel von 1,1 – 5,1 % der Körpermasse.

Der Heuverzehr wird je nach Jahreszeit und übrigem Futter mit 0 – 150 g angegeben. Wobei bei einem Wert von 150 g Heu zusätzlich 100 g Rüben und 30 g Kraftfutter gereicht wurden. Bei ausreichend Grünfutter im Sommer kann nach Mangold auf Heu verzichtet werden.

Nach Erfahrungen von Haltern nehmen Kaninchen bei einem ad libitum Angebot von Frischfutter minimal 100 g und im Extremfall bis 800 g Frischfutter pro kg Körpergewicht auf.

Abbildung 1: Blattspitzenselektion. Bei der Nahrungsmenge muss die Futterwahl der Kaninchen beachtet werden. Harte Stängel werden nur gefressen, wenn es an Auswahl mangelt. Die Menge an Wiese muss daher höher sein, wenn die Pflanzen bereits verholzt sind bzw. der Blattanteil niedrig ist.

Futterangebot


Kaninchen sollten stets Futter zur Verfügung haben, an welchem sie sich selbst bedienen können. Bei der Auswahl der Futtermittel sollte auf die individuellen Ansprüche und Verträglichkeiten der einzelnen Tiere geachtet werden. Unbekannte Futtermittel müssen immer vorsichtig angetestet bzw. bei Bedarf vorsichtig angefüttert werden. Bei auftretenden Problemen sollte wenn möglich nach der Ursache gesucht und nicht nur die Symptome bekämpft werden.

Kaninchen in freier Natur leben in verschiedenen Habitaten, die zusätzlich jahreszeitlich bedingt ein unterschiedliches Vorkommen von Pflanzen aufweisen. Die Ernährung von Kaninchen unterliegt also eine Saisonalität, die sich auch auf das Verhalten der Tiere auswirkt. Zur Verfügung stehen den wildlebenden Kaninchen normalerweise eine vielfältige Auswahl verschiedener Futterpflanzen wie frischen Gräsern, Kräutern und Blätter/Zweige von Bäumen und Sträuchern. Den Hauptteil der Nahrung sollte daher auch bei Heimkaninchen frisches strukturiertes Grünfutter ausmachen.

Bei der Zusammenstellung der Frischfutterration empfiehlt Ewringmann (2005) mindestens 1/2 bis 2/3 Grünfutter. Der Rest kann sich aus verschiedenem Gemüsesorten und max. 1/4 Obst zusammensetzten.

Es muss darauf geachtet werden dass das Angebot alle nötigen Nährstoffe in ausreichender Menge und passender Zusammensetzung enthält. Faktoren wie Beispielsweise die Rohfaserzusammensetzung und das Calcium-Phosphor-Verhältnis sollten bedacht werden.

Kaninchen kann Frischfutter ad libitum gereicht werden. Dabei wird darauf geachtet, dass stets Frischfutter vorhanden ist. Wichtig ist den Tieren dabei eine ausreichende Vielfalt und Qualität zur Verfügung steht. Auch hier sollte geeignetes Grünfutter in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Bei einer ausreichenden Vielfalt und Qualität können die Kaninchen ihr Futter selbstständig möglichst effektiv selektieren, den Nährstoffbedarf möglichst optimal zu decken und verdorbene Futtermittel meiden. Bei der Umstellung auf eine ad libitum Ernährung mit Frischfutter ist zu beachten, dass die Menge an frischem Futter langsam gesteigert werden muss. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kaninchen sehr große Mengen an Frischfutter auf einmal fressen. Dabei muss auch eine ausreichende Vorselektion durch den Halter stattfinden, angepasst an die Erfahrungen und Verträglichkeiten der Kaninchen.

Als Hauptnahrung kann bei einem ad libitum Angebot von Frischfutter frische Wiese verwendet werden. Positive Erfahrungen wurden auch mit Grünteilen von Kulturpflanzen gemacht. In solchen Fällen sollten allerdings zusätzlich trotzallem mit ausreichend frischen Gräsern, Kräutern und Blätter/Zweige von Bäumen und Sträuchern ergänzt werden, um das Angebot an Nähr- und Wirkstoffen zu erhöhen. Zusätzlich sollte immer hochwertiges Heu zur freien Verfügung stehen.

Bei einer rationierten Ernährung mit Frischfutter werden den Kaninchen eingeschränkte Mengen an Frischfutter angeboten. Dabei muss genau auf die Zusammenstellung einer ausgewogenen, ausreichend nährstoffreiche, vielfältige und qualitativ hochwertige Ration geachtet werden. Auch das Heu sollte besonders hochwertig sein. Wichtig ist das Frischfutter in mehreren Portionen über den Tag verteilt zu reichen.

Empfehlenswert ist eine Minimalmenge von 200 hochwertigem, geeigneten Frischfutter pro kg Kaninchen pro Tag, der Hauptanteil sollte dabei Grünfutter in Form von frischer Wiese sein.

Kraftfutter dient nur als Ergänzungsfutter und muss Mengenmäßig an die Bedürfnisse der Kaninchen angepasst werden. Auch zusätzliche Trockenfutter wie Kräuter sollten nur als Ergänzungsfutter dienen. Erfahrungen mit größeren Mengen an Trockenkräutern fehlen bislang.

Die Fütterung kann dabei an die Saisonalität der Kaninchen angepasst werden.

Fütterungszeiten


Die Fütterungszeiten sollten vor allem in der warmen Jahreszeit der frühe Morgen und der späte Abend sein. Zu dieser Zeit sind Kaninchen am aktivsten und nehmen am meisten Nahrung auf.

Es sollte bedacht werden dass frisches, feuchtes Futter im Warmen schnell verderben kann. Baketieren vermehren sich, das Futter fängt an zu gären. Daher sollte Frischfutter entsprechend kühl und luftig gelagert werden.

Fütterung im Winter


Über den Sommer gelangen die meisten Kaninchenhalter dank des vielfältigen Angebotes in freier Natur gut und günstig an ein großes, vielfältiges Angebot an Frischfutter. Im Winter ist das Angebot in freier Natur allerdings sehr beschränkt. Insbesondere Grünfutter ist schwierig in größeren, abwechslungsreichen Mengen zu beschaffen. Auf den Wiesen wächst nur noch sehr wenig, die wenigsten Bäume tragen noch Grün.
Dennoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, im Winter an ausreichend abwechslungsreiches Futter & Frischfutter zu gelangen.

Beschaffung von größeren Mengen an haltbarem Gemüse wie Futterkarotten und Futterrüben und deren Einlagerung kann sich lohnen. In größeren Mengen sind diese Gemüse nicht ideal und müssen daher weiter ergänzt werden, damit die Tiere ihren Nährstoffbedarf decken können.
Nadelhölzer als Raufutter sind bei größeren Mengen an Karotten und Rüben aufgrund ihres hohen Ligningehaltes in Rinde und Nadeln eine gute Ergänzung.

Raufutter kann in größerer Vielfalt angeboten werden. Maisstroh, Erbsenstroh und getrocknetes Topinamburkraut samt Stängel können zusätzlich zu Heu angeboten werden. Bezugsquellen sind Landwirte. Auch Bambus ist ein gern angenommenes Winterfutter, welches auch im Winter grün ist.

Bei milderem Wetter besteht auch die Möglichkeit bestimmte Kohlsorten, einige Salatsorten, Wintergerste und Winterweizen anzubauen. Diese bieten ein gutes Frischfutter über den Winter.

Äste und Zweige geeigneter Bäume können im warmen in Wasser gestellt werden und treiben dann aus. Allerdings ist dies erst ab Dezember wirklich ertragreich.

Nach Gemüseabfälle auf dem Markt oder im Supermarkt fragen bzw. sich diese zurücklegen lassen lohnt sich fast immer.
Es kann mit Saatenmischung oder anderem Kraftfutter ergänzt werden. Diese liefern wichtige Aminosäuren für die Kaninchen. Keimfutter bietet zudem eine weitere Quelle für verschiedene Nährstoffe.

Auch im Winter findet man häufig noch Kräuter und Gräser auf unbewirtschafteten Wiesen oder verwilderten Grundstücken und kann zumindest mit geringen Mengen ergänzen. Zum Beispiel Brombeerblätter findet man häufig auch im Winter
Geeignetes Laub wird von Kaninchen gerne gefressen, bringt Abwechslung und ist daher eine gute Ergänzung.

Selbst bei Schnee finden sich noch grüne, frische Pflanzen. Für wilde Kaninchen sind diese eine wichtige Nahrungsquelle im Winter.

Frischfutter bei Minustemperaturen


An sehr kalten Tagen friert Frischfutter sehr schnell ein. Es empfiehlt sich an sehr kalten Wintertagen mehreren Portionen zu reichen.

Es gibt einige Möglichkeiten, um einfrieren zu verhindern oder zumindest herauszuzögern.

  • Fütterung in frostfreien Unterschlüpfen
  • Isolierung von unten durch Heu, Stroh o.ä.
  • Heizplatten aus dem Terraristikbedarf
  • Vermehrte Fütterung von Kohl. Kohl verfügt über bestimmte Zuckermoleküle, die als Frostschutzmittel wirken und einige Kohlsorten frieren bis zu – 20°C Kälte nicht ein. Die Zuckermoleküle verhindern eine Kristallisation von Wasser zwischen und in den Zellen
    Pflanzen wie Nadelbäume, Brombeeren und Rosen haben einen reduzierten Wassergehalt und lagern ätherische Öle und Lignine zwischen die Cellulosemoleküle. Auch dadurch wird ein Einfrieren verhindert. Gräser und die Ackerschmalwand benutzen sehr saure Eiweißmoleküle, um sich vor dem Einfrieren zu schützen

Eine saisonale Gewichtszunahme im Winter ist bei Kaninchen etwas völlig normales. Der Stoffwechsel wird umgestellt, durch einen dicken Winterpelz und eingelagertes Unterhautfettgewebe wird die Wärmeisolation verbessert. Zudem dient das Fett als Energiereservoir für eine wasserarme Zeit oder als Speicher für diverse Carotinoide.

Quellen


Boback, Alfred W.; Das Wildkaninchen: (Oryctolagus cuniculus (Linné, 1758); 2., unveränd. Aufl.; Nachdr. der 1. Aufl., Wittenberg Lutherstadt, Ziemsen, 1970; Hohenwarsleben; Westarp-Wiss.-Verl.-Ges.; 2004; (Die neue Brehm-Bücherei; 415); ISBN 3-89432-791-X

Ewringmann, A.; Leitsymptome beim Kaninchen: diagnostischer Leitfaden und Therapie; Stuttgart, Enke, 2005; 284 S; (Konkret-Kleintier-Praxisbuch); ISBN 3-8304-1020-4

Lackenbauer, W.; Kaninchenfütterung: tiergerecht – naturnah – wirtschaftlich; 3., überarb. Aufl. Reutlingen; Verl.-Haus Reutlingen Oertl und Spörer; 2001; ISBN 3-88627-704-6

Lindemann,W. (1960): Neues aus dem Leben des Feldhasen. In: Kosmos, 56, Stuttgart, S.164-169; In: Leicht, Walter H.: Tiere der offenen Kulturlandschaft, Heidelberg, Quelle und Meyer; Teil 1, Feldhase, Wildkaninchen; 1979; Ethologie einheimischer Säugetiere, 1; ISBN 3-494-00937-6

Mangold, E.; Fangauf, R.; Handbuch der Kaninchenfütterung; Neumann Verlag GmbH; Radebeul; 1950
Schlolaut, W. (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Lange, K.; Das große Buch vom Kaninchen; 3., erw. Aufl.; Frankfurt am Main; DLG-Verl., 2003; 488 S.; ISBN 3-7690-0592-9

Turxek, F. & Stiavnica, B.; Beitrag zur Kenntnis der Fraßpflanzen des Wildkaninchens, Oryctolagus cuniculus (Linne, 1758), in freier Wildbahn; Säugetierkundliche Mitteilungen; 1959; Heft 7; Seite 151 – 153; ISSN 0036-234

Widmer-Andermatt, R. (1976): Darmerkrankung des Kaninchens. Ein Beitrag zur Diagnostik und Abklärung ihrer Aetiologie; Diss. Univ. Zürich: In: SELZER, D. (2000): Vergleichende Untersuchungen zum Verhalten von Wild- und Hauskaninchen unter verschiedenen Haltungsbedingungen; Inaugural- Dissertation, Institut für Tierzucht und Haustiergenetik, Justus-Liebig; Universität Gießen