Sinnesorgane


Allgemeines


Ein Sinnesorgan wandelt Reize aus der Umwelt mit Hilfe seiner spezifischen Rezeptoren in elektrische Impulse um. Über Nervenfaser gelangen die Informationen ins Gehirn. Sie werden gefiltert, mit anderen Informationen kombiniert und mit gespeicherten Informationen abgeglichen wodurch die Wahrnehmung entsteht. Die Umwandlung der für das Sinnesorgan spezifischen Reize erfolgt durch seine Rezeptoren.

Um sich in Raum und Zeit orientieren zu können, sind für Kaninchen vor allem chemische und taktile Signale sowie die visuelle und akustische Orientierung von Bedeutung.

Visuelle Wahrnehmung


Abbildung 1: Kaninchenaugen. Kaninchen können verschiedene Augenfarben haben. Von verschiedenen brauntönen (links) über blau bis hin zu bläulich-rot.

Das große Auge des Kaninchens nimmt Bewegungen sehr gut wahr, ruhende Bilder sind jedoch sehr unscharf. Dadurch kann das Kaninchen auf Bewegungen sehr schnell reagieren, was für ein Fluchttier bei der Feindvermeidung eine wichtige Rolle spielt. Inwieweit das Kaninchen zu einem Bildsehen fähig ist, konnte bislang nicht festgestellt werden (Leicht 1979).

Die seitlich sitzenden Augen ermöglichen ein großes Sichtfeld, die Gesichtsfelder überlappen sich wenig. Jedes Auge hat ein Sehfeld von etwa 170,5°, aber nur einen schmalen Sektor von 10° binokular.

Nach Dücker (1960) ist ein Farbsehvermögen praktisch nicht vorhanden, dafür werden Grautöne besser wahrgenommen. Rotintensive Zäpfchen fehlen, wodurch Rot nur sehr schlecht von grün unterschieden werden kann.

In der Dämmerung und Mondscheinnächten sieht das Kaninchen relativ gut. Bei hellem Sonnenschein hingegen nur im geringen Maße, da die Pupillen nur im geringen Maß verengt werden können (Hediger).

Die Augen sind dafür ausleget Gegenstände in der Ferne zu erkennen. Die Einstellbarkeit auf das Nahsehen ist unvollkommen. (Leicht 1979), wodurch nahe Gegenstände unscharf erscheinen.

Die Iris (Regenbogenhaut) reguliert den Lichteinfall. Je nach Pigmentierung der Iris haben Kaninchen verschiedene Augenfarben. Eine stark pigmentierte Iris führt zu braunen Augen, schwächere Pigmentierung lässt die Augen blau erscheinen. Bei sehr geringer oder gar keiner Pigmentierung schimmert die rötliche Farbe des Blutes durch, die Augen erscheinen dadurch rot. Kaninchen mit einem Mangel an Pigmentierung im Auge wie Albinos sind empfindlicher gegenüber Sonnenlicht als Tiere mit dunklen, pigmentierten Augen.

Zum Schutz der Augen verfügt das Kaninchen über ein drittes Augenlid, die Nickhaut. Sie ist mit der Tränendrüse verbunden und kann über das Auge geschoben werden.

Abbildung 2: Sichtfeld eines Kaninchens (nach Leicht). Kaninchen haben die Augen seitlich am Kopf, wodurch sich die beiden Gesichtsfelder nur wenig überlappen (grün). Eine „blinde Fläche“, die von den Augen nicht erfasst werden kann, ist (außer dicht am Kopf) nicht vorhanden.

Olfaktorische Wahrnehmung


Nach Lincke verfügen Kaninchen über ein ausgezeichnetes Geruchsvermögen, es verfügt über etwa 100 Millionen Riechzellen. Das entspricht etwa 120.000 Riechzellen pro cm² Riechschleimhaut. Der Mensch verfügt im Gegensatz dazu gerade mal über 10-30 Millionen Riechzellen.

Die meisten Zellen im Riechhirn sind bereits bei der Geburt voll entwickelt. Obwohl neu geborene Kaninchen taub und blind sind, können sie bereits Gerüche wahrnehmen und so die Zitzen ihrer Mutter finden. Das gelingt ihnen mittels eines bestimmten Pheromones „2MB2“, welches sie zu den Zitzen lockt.

Das Geruchsvermögen spielt vor allem für das Sozial- und Sexualverhalten eine wichtige Rolle. Bei bestimmten Wettereinflüssen kann es jedoch nicht voll wirksam sein.

Über Duftdrüsen werde von Kaninchen Pheromone abgegeben. Duftdrüsen finden sich oberhalb der Nasenspitze, Lippen- und Backendrüsen, Analdrüsen sowie eine Kinndrüse. Die Lippen- und Backendrüse dienen vermutlich zur Fährtenmarkierung, da Kaninchen keine Duftorgane an den Läufen haben und somit vermutlich beim Putzen die Vorderläufe bestreichen. Die Kinndrüse ist beim Rammler stärker ausgeprägt als bei weiblichen Tieren. Mit der Kinndrüse werden z.B. Gegenstände markiert und dienen damit der Markierung des Territoriums.

Akustische Wahrnehmung


Das Hörvermögen ist beim Wildkaninchen sehr gut ausgebildet. Die Schalltrichterförmigen Löffel und der Bau des Gehörgangs lassen darauf schließen. Die Stellung und Beweglichkeit der Ohren ermöglicht ein Hörraum von 360°, ohne dass die Tiere den Kopf bewegen. Die Ohrmuscheln können dabei unabhängig voneinander bewegt werden.

Neben der Wahrnehmung von Geräuschen spielen die Ohren, welche stark durchblutet sind, auch eine wichtige Rolle bei der Wärmeregulation. Daher empfiehlt sich die Aufzucht der Englischen Widder mit ihren großen Ohren eher in der warmen, die der Hermelinkaninchen mit ihren kleinen Ohren eher in der kalten Jahreszeit (Nachtsheim 1977).

Durch Züchtung kann die Funktion der Ohren erheblich eingeschränkt sein, so kann Beispielsweise bei Widdern das eigentlich gute Hörvermögen durch die hängenden Ohren vermindert sein.

Taktile Wahrnehmung


Zur Nahorientierung spielt der Tastsinn eine entscheidende Rolle (Leicht 1979). Neben den Tasthaaren an Stirn und Lippen haben Kaninchen besonders an den Enden der Gliedmaßen Tastkörperchen, die dem Kaninchen Informationen über die physikalische Beschaffenheit ihrer Umwelt vermitteln. Pro Seite hat ein Kaninchen 17 – 23 Tasthaare, deren Länge 3 – 7 cm beträgt. Sie werden beim Fellwechsel nicht abgeworfen.

Abbildung 3: Tasthaare beim Kaninchen. Links bei einem Normalhaarkaninchen an Schnauze und Auge. Zuchtbedingt können die Tasthaare verändert sein, wie bei diesem Rexkaninchen (rechts).

Gustatorische Wahrnehmung


Der Geschmacksinn des Kaninchens ist ebenfalls gut ausgebildet und hilft beim selektieren der Nahrung. Kaninchen können süß, sauer, bitter und salzig erschmecken.

Wahrnehmung der Zeit


Kaninchen orientieren sich nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Ob Lebensabschnitte wie Geburt, Säuglingszeit, Jugend, Alterung und Tod oder tägliche Abläufe, es handelt sich um Zeitabschnitte die einem gewissen Rhythmus folgen. Gesteuert wird der Rhythmus unter anderem durch äußere Reize wie Klima, Lichteinfluss oder auch Tagesabläufe. Wobei letzteres bei der Haltung von Hauskaninchen oft eine entscheidende Rolle spielt.

Die verschiedenen Zyklen wie Aktivität, Fress- und Trinkverhalten genauso wie die einzelnen Lebensphasen beeinflussen unter anderem auch das Verhalten der Kaninchen. So sind jüngere Kaninchen weniger orttreu als ältere Tiere und für geschlechtsreife Kaninchen ist das Graben eines Baues von größere Bedeutung.

Quellen


Boback, Alfred W.; Das Wildkaninchen: (Oryctolagus cuniculus (Linné, 1758); 2., unveränd. Aufl.; Nachdr. der 1. Aufl., Wittenberg Lutherstadt,

Ziemsen, 1970; Hohenwarsleben; Westarp-Wiss.-Verl.-Ges.; 2004; (Die neue Brehm-Bücherei; 415); ISBN 3-89432-791-X

Leicht, Walter H.: Tiere der offenen Kulturlandschaft, Heidelberg, Quelle und Meyer; Teil 1, Feldhase, Wildkaninchen; 1979; Ethologie einheimischer Säugetiere, 1; ISBN 3-494-00937-6

Nachtsheim; In: Nachtsheim, H. u. H. Stengel (1977): Vom Wildtier zum Haustier. 3. Aufl. Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg

Schlolaut, W. (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Lange, K.; Das große Buch vom Kaninchen; 3., erw. Aufl.; Frankfurt am Main; DLG-Verl., 2003; 488 S.; ISBN 3-7690-0592-9