Das Wildkaninchen


Systematik des Wildkaninchens


Das Wildkaninchen zählt genauso wie der Feldhase zur Familie der Hasen (Leporidae). Die Familie wird in zwei Unterfamilien mit elf Gattungen und rund 55 Arten unterteilt.

  • Unterfamilie Palaeolaginae
    • Ryukyu-Kaninchen (Pentalagus furnessi)
    • Buschmannhase (Bunolagus monticularis)
    • Rotkaninchen (Pronolagus) mit 3 Arten
  • Unterfamilie Leporinae
    • Streifenkaninchen (Nesolagus) mit 2 Arten
    • Vulkankaninchen (Romerolagus diazi)
    • Zwergkaninchen (Brachylagus idahoensis) – Nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung der Zwergkaninchen, welche zu den Hauskaninchen zählt
    • Baumwollschwanzkaninchen (Sylvilagus) mit 13 Arten
    • Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus)
    • Buschkaninchen (Poelagus marjorita)
    • Borstenkaninchen (Caprolagus hispidus)
    • Echte Hasen (Lepus) mit rund 30 Arten

Körperbau


Die Körperlänge eines wilden Kaninchens beträgt etwa 40 – 45 cm, wobei die Blume etwa 5 – 6 cm lang ist. Die Körperhöhe beträgt 6 – 8 cm. Das Durchschnittsgewicht liegt bei erwachsenen Tieren zwischen 1,5 und 2 kg. Die Stehohren sind etwa 7 – 8 cm lang und kürzer als der Kopf .

Das Haarkleid ist an der Oberseite wesentlich mit grauen und schwarzen Tönungen, wobei es nach hinten dunkler wird und an den Seite heller. Am Kopf finden sich rotgelbe Farben. Bauch, Kehle und Innenseite der Läufe sind hellgrau bis weiß. An Hals und Nacken finden sich graue, gelbe und rostrote Töne. Die oberen Ränder von Löffel und Blume sind schwarz, die Unterseite der Blume ist weiß. Die Augen sind von einem schmalen, weißen Ring umgeben. Die Färbung insgesamt kann je nach Gebiet mehr gelblich oder mehr gräulich sein.

Bei wilden Kaninchen, insbesondere jenen Populationen, die außerhalb des Ursprungsgebietes vorkommen finden sich häufig Farbabweichungen. Es finden sich blaue, schwarze, fuchsrote und weiße Tiere, sowie Schecken. Schwarze Kaninchen können mancherorts gehäuft vorkommen.

Näheres zur Anatomie von Kaninchen hier: Anatomie und Leistung

Tàrrega, Lleida, Katalonien

Urheber: J.C.H. Galisteo; Quelle (Oktober 2023)

Cíes Islands, Pontevedra, Galicia, Spanien

Urheber: Drow male; Quelle (Oktober 2023)

Schwarzes Wildkaninchen

Urheber: T.Voekler; Quelle (Oktober 2023)

Geschichte


Die ersten Fossilien von hasenartigen Tieren wurden in China gefunden und stammen aus dem Paläozän vor etwa 60 Millionen Jahren. Die Gattung (Mimotona), der diese Funde zugeordnet werden konnten, besitzen die Merkmale der Lagomorpha (Hasenartigen). Allerdings haben sie weitere Merkmale, an denen sie als als einen frühen Seitenast der Hasenartigen identifiziert wurden, also einem gemeinsamen Vorfahren mit ihnen teilen.
Die ältesten Fossilienfunde, die den Lagomorpha zugeordnet werden können stammen aus dem Eozän vor ca. 55 Millionen Jahren. Die Fossilen stammen aus Westindien und der Mongolei (Rose et al. 2008). Die Trennung der Pfeifhasen von den Hasen erfolgte vor ca. 30 Millionen Jahren.

Im Pleistozän vor ca. 2,6 Millionen Jahren begann eine Reihe von Eiszeiten. Insgesamt gab es während dieser Zeit 23 Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten. In den Warmzeiten verbreiteten sich Kaninchen über weite Teile Nordafrikas und Europa. Vermutlich wanderte es im Miozän von Asien her nach Europa ein. Am Ende des Pliozäns und zu Beginn des Pleistozän waren Kaninchen in Europa weit verbreitet, wie Funde aus dieser Zeit zeigen. Das Eis verdrängte die Wildkaninchen im Pleistozän aus den nördlichen Teilen. Später fand man sie nur noch auf der Iberischen Halbinsel und im westlichen Nordafrika. Dies war das Verbreitungsgebiet, als Phönizier am Ende des 2 Jahrhunderts v. Chr. die Wildkaninchen in Spanien entdeckten. Sie verwechselten die Tiere allerdings mit den Klippschliefern aus Kleinasien und nannten das entdeckte Land „I-saphan-In“, Insel der Klippschliefer. Die Römer übersetzten dies in „Hispania“.

Von Spanien aus besiedelten Wildkaninchen später wieder Südfrankreich. Durch die Mindel-Kaltzeit kam es vermutlich zu einer Auftrennung des europäischen Wildkaninchens in zwei Unterarten, Oryctolagus cuniculus cuniculus im südlichen Frankreich und Oryctolagus cuniculus algirus in Spanien und Nordafrika (Biju-Duval, et al., 1991). Ausgenommen die Kaninchen auf den Azoren stammen alle Hauskaninchen und verwilderten Kaninchen außerhalb des Ursprunggebietes von Oryctolagus cuniculus cuniculus ab.

Tabelle 1: Geschichte des Kaninchens

Ära
Periode
Epoche
Alter (ca.) [mya]
Geschichte der Kaninchen
Känozoikum Paläogen Paläozän 65 – 56 Erste Funde hasenartiger Tiere
Eozän 56 – 34 Erste Fossilien die den Lagomorpha zugeordnet werden können
Oligozän 34 – 23
Neogen Miozän 23 – 5,3 Einwanderung von Asien nach Europa
Pliozän 5,3 – 2,6 Verbreitung über ganz Europa und Nordafrika
Quartär Pleistozän 2,6 – 0,01
  • Beginn der Eiszeiten
  • Auftrennung der Unterarten
  • Verdrängung durch das Eis aus den nördlichen Teilen
Holozän 0,01 – 0
  • Verbreitung auf der iberischen Halbinsel und im westlichen Nordafrika
  • Ausbreitung durch den Menschen

1400 – 1300 v. Chr wurde Kaninchen auf Menorca, der östlichste und nördlichste Insel der spanischen autonomen Region der Balearen eingebürgert. In den spätern Jahrhunderten verbreiteten die Römer das Kaninchen rund um das Mittelmeer, so unter anderem nach Korsika (204 v. Chr). Die Kaninchen dienten als Frischfleischlieferanten und Jagdobjekte (Thompson & King 1994).

Erste festgehaltene Sichtung Einbürgerung/Verbreitung
1400 – 1300 v. Chr Menorca
204 v. Chr Korsika
230 n. Chr. Italien
1135 Drakes Island (Südwestküste von Großbritannien)
1176 Scilly-Inseln (südwestlich nahe dem Eingang zum Ärmelkanal)
1183 -1219 Lundy (im Bristolkanal in Großbritannien)
1235 Festland Großbritanniens
1264 Schottland
1329 Isle of May (schottische Insel)
1423 Deutschland
1497 Orkney (schottische Insel)
1654 Shetland
1656 – 1658 Robben Island (Südafrika)
1779 Ungarn
1850 Polen
1857 Norwegen
1859 Australien
1860 – 1880 Schweiz
1880 Inseln im Beagle-Kanal im Süden Feuerlands (Südamerika)
1894 – 1895 Ukraine
1905 Schweden
1905 – 1907 Rumänien
1936 Isla Grande (Südamerika)
1943 Chile
1943 – 1950 Argentinien

Heute findet man das Wildkaninchen bzw. verwilderte Kaninchen in ganz Europa, ausgenommen Skandinavien, Island und Finnland. Auch in Südafrika, Nord- und Südamerika wurde es eingeführt. Allerdings steht fest, dass einige der heutigen Vorkommen von Wildkaninchen auf das Aussetzten mehr oder weniger domestizierter Kaninchen zurückgehen.

Quellen


Biju-Duval C; Ennafaa H.; Dennebouy N.; Monnerot M.; Mignotte F.; Soriguer R. C.; El Gaaïed A.; El Hil, A.; Mounolou J.-C. (1991): Mitochondrial DNA evolution in lagomorphs: Origin of systematic heteroplasmy and organization of diversity in European rabbits. J Mol Evol 33. 92-102.

Boback, Alfred W.; Das Wildkaninchen: (Oryctolagus cuniculus (Linné, 1758); 2., unveränd. Aufl.; Nachdr. der 1. Aufl., Wittenberg Lutherstadt, Ziemsen, 1970; Hohenwarsleben; Westarp-Wiss.-Verl.-Ges.; 2004; (Die neue Brehm-Bücherei; 415); ISBN 3-89432-791-X

Rose K. D.; Burke DeLeon V.; Missiaen P.; Rana R. S.; Sahni A.; Singh L.; Smith, T. (2008): Early Eocene lagomorph (Mammalia) from Western India and the early diversification of Lagomorpha. Proceedings of the Royal Society B, 275. 1203-1208

Schlolaut, W. (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Lange, K.; Das große Buch vom Kaninchen; 3., erw. Aufl.; Frankfurt am Main; DLG-Verl., 2003; 488 S.; ISBN 3-7690-0592-9

Thompson, H. V.; King, C. M. (Eds.); The European Rabbit – The history and biology of a successful colonizer; Oxford University Press; Oxford, New York, Toronto; 1994; ISBN 0-19-857611-0

Holl, W. (1971): Vorkommen von wilden Kaninchen ab 16. Jahrhundert, Zeitschrift für Jagdwissenschaft 11/1971, Seite 181-183, Springer Berlin / Heidelberg