Vergleich Hauskaninchen - Wildkaninchen
Kapitel

Veränderungen durch Domestikation
Domestikationsbedingte Merkmalsänderungen beim Hauskaninchen
Verhaltensvergleich Hauskaninchen - Wildkaninchen unter seminatürlichen Bedingungen
Hauskaninchen in freier Natur
Veränderungen durch Domestikation

Die Domestikation ist ein innerartlicher Veränderungsprozess von Wildtieren, welche über Generationen hinweg von der Wildform genetisch isoliert gehalten werden. Sowohl menschliche Auslese als auch natürliche Auslese führen so zu Veränderungen.
Wildtiere, die dem Stress nicht gewachsen sind, ständig mit dem Menschen konfrontiert zu sein, pflanzen sich in Gefangenschaft wenig bis gar nicht fort. Dadurch kommt es auch unter diesen Bedingungen zu einer natürlich Auslese.
Verschiedene Modifikationen lassen sich in Gefangenschaft beobachten:
- Masse und Funktion verschiedener Organe: Teilweise werden Organe in Gefangenschaft nicht derart eingesetzt, wie es in freier Wildbahn der Fall ist. Beispielsweise Hirn, Muskeln und Thymusdrüse. Einige dieser Organe können regenerieren, wenn das Tier wieder in die freie Wildbahn kommt. Andere wie das Gehirn entwickeln nur dann volle Masse und Funktion, wenn das Tier unter entsprechenden Bedingungen aufwächst.
- Verhaltensweisen: Viele Verhaltensweisen können nur dann erlernt werden, wenn die Bedingungen stimmen. Daher zeigen viele Tiere in Gefangenschaft ein verringertes oder sogar verändertes Verhaltensrepertoir
Einige dieser Modifikationen sind genetisch und damit domestikationsbedingt, andere wiederum sind Effekte der Haltung und Aufzucht.
Viele vergleichende Untersuchungen, insbesondere der Anatomie, wurden nicht mit Hauskaninchen unter seminatürlichen oder natürlichen Bedingungen durchgeführt, wodurch diese Vergleiche mangelhaft sind. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass ein Kaninchen, welches in einem kleinen Kasten gehalten wird, nicht unbedingt mit einem Kaninchen zu vergleichen ist, dass unter natürlichen Bedingungen lebt.
Domestikationsbedingte Merkmalsänderungen beim Hauskaninchen

Hauskaninchen gibt es mit einer weitaus größeren Variation in Größenwuchs, Farbe und Struktur des Fells als Wildkaninchen. Für die Differenzen zwischen den verschiedenen Organen fehlen Vergleichsdaten zu Kaninchen unter seminatürlichen Bedingungen.
Nach Schlolaut (2003) unterscheiden sich die Kapazität von Magen und Blinddarm, welche bei Wildkaninchen höher ist, sowie die Länge des Dünn- und Dickdarms. Hierbei soll der Darm des Wildkaninchens um einen halben Meter länger sein. Allerdings untersuchte schon 1950 Wilhelm Harder die Darmlänge von Wildkaninchen und verschiedenen Kaninchenrassen. Dabei stelle er fest, dass die verschiedenen Kaninchenrassen wechselnde prozentuale Verhältnisse der einzelnen Darmabschnitte aufweisen, welche nicht zur Größe der Rassen in Beziehung stehen. Von einheitlichen Domestikationsveränderungen kann daher nicht gesprochen werden.
Wildkaninchen sind weniger leicht zu zähmen als Hauskaninchen. Auf das Verhalten wird im folgenden näher eingegangen.
Verhaltensvergleich Hauskaninchen - Wildkaninchen unter seminatürlichen Bedingungen

Um die Anforderungen von Hauskaninchen an ihren Lebensraum zu bestimmen, die im Zuge der Domestikation möglicherweise Veränderungen erfahren haben, kann ein Vergleich der domestizierten Art mit ihrer Wildform erfolgen. Um das Normalverhalten der Tierart zu bestimmen werden vergleichende Verhaltensuntersuchungen unter natürlichen und seminatürlichen Bedingungen sowie in verschiedenen Haltungssystemen durchgeführt
Bei Untersuchungen am Lehr- und Forschungsstation Oberer Hardthof der Justus-Liebig-Universität Gießen wurden Zuchtgruppen von Wild- und Hauskaninchen von je einem Rammler und zwei Häsinnen unter seminatürlichen Bedingungen in 150 m² großen Freigehegen mit künstlichen Nestboxen gehalten. Mittels Infrarot-Videotechnik wurden die Kaninchen 24 Stunden am Tag überwacht. Die Untersuchungen ergaben vergleichbare Verhaltensweisen bei Wild- und Hauskaninchen. Abgesehen vom Tagesrhythmus, bei dem die Wildkaninchen die Hellstunden des Tages überwiegend im Bau verbrachten und erst nach der Abenddämmerung ausfuhren, während die Hauskaninchen sich zum größten Teil draußen aufhielten und überwiegend aufgrund schlechter Witterung die Baue aufsuchten.
Beim Aufzuchtverhalten konnte bei Beiden ein Verschließen des Eingangsbereiches der Satzbaue beobachtet werden. Das Sicherungsverhalten trat mit höherer Häufigkeit bei den Wildkaninchen auf. Im Zuge der Domestikation traten bei den Hauskaninchen keine grundsätzlichen Verhaltensänderungen im Vergleich zu den Wildkaninchen auf. Allein in der Reproduktion liegen die Aufzuchterfolge durch eine höhere Wurfzahl und eine längere Reproduktionssaison bei den Hauskaninchen höher.
Hauskaninchen in freier Natur

Ausgesetzte Hauskaninchen lassen sich in vielen Regionen finden und sind dort teilweise zur Plage geworden. Das Kaninchen verwildert schneller als jedes andere domestizierte Haustier (Leicht 1979).